Alltag im Weingut

Demokratische Speisekarte

Die Zeiten ändern sich.

Dieser Beitrag scheint älter als 18 Jahre zu sein – eine lange Zeit im Internet. Der Inhalt ist vielleicht veraltet.

Es war ein langer und teilweise kurioser Prozess bis die Entscheidung endgültig fiel die Speisekarte neu zu überarbeiten.
Anfangs dachte ich doch wirklich, alles Neu zu schreiben und die Karte in ein neues hübsches Kleid reinzustecken würde genügen.

Das dem nicht so ist, wurde mir nach den ersten Kontakten mit dem Speisekartenblog bewußt.

Lieber Gott im Himmel, was für ein Fass hatte ich da aufgemacht!!

Sätze wie: „So ein Quatsch, unsere Gäste sind zufrieden mit dem wie es ist“ kamen von den Küchenbolzen, die offensichtlich Bedenken hatten auf sie käme einiges an Mehrarbeit zu. Da ich ein gutmütiger Mensch bin, habe ich darauf verzichtet, den Küchenbolzen mitzuteilen das evtl diese Einstellung der Grund dafür ist, das sie als Küchenbolzen arbeiten….

„Du darfst ändern was du willst, aber es dürfen keine Gerichte von der Karte verschwinden und teurer darf es auch nicht werden, ausserdem brauchen wir endlich Karten für unsere Amerikanischen Gäste“ Die Servicemannschaft diktierte weiter einige Bedingungen wie: „die Karte muß abwaschbar sein, wenn möglich die Blätter ebenfalls, falls dies nicht möglich ist, muß alles in Klarsichtfolie oder lamminiert werden“

Dann ging es zum Koch:
„Spaghetti? Warum Spaghetti? Wer will Spaghetti? Wir sind doch kein Italiener!!“
Ein kleinlauter, von mir eingeschobener Hinweis, das das nur eine Idee war für einen Kinderteller, denn Kinder essen doch gerne Spaghetti, wurde erbarmungslos abgeschmettert. Auf den Herd zeigend erfahre ich vom Koch: „Hier ist kein Platz mehr um Spaghetti zu kochen, das passt nicht in unsereren Ablauf“
Ganz schnell mußte ich lernen, das diese Geschichte eine Nummer zu groß war, somit fasste ich folgenden Entschluss, den ich auch an den entsprechenden Stellen verkündete. Ich schreibe die Speisekarte, und gestalte das äussere der Speisekarte. Was in der Speisekarte drinsteht ist mir völlig egal.

Aus dem Servicebereich tönt es mit Engelszungen: „Schreib uns doch eine neue Speisekarte. Bitte, bitte bitte……..“

Folgender Plan wurde aufgestellt. Die höchste Instanz des Betriebes, unsere Chefin (Die meine bisherigen Versuche mit Schmunzeln begutachtete, denn sie wußte von Anfang an wie es laufen würde!) setzt in den Sommerferien mit dem Koch eine Speisekarte auf. Währenddessen kaufe ich und bestelle gemeinsam mit der Chefin die Mappen. Wenn die Speisekarte steht, wird sie geschrieben und der Service darf sie anschauen und eventuelle Wünsche äussern.

Im November schliesslich stand die Karte, grundsätzliche Entscheidungen waren gefallen, wie z.B. die, das es Beilagensalat nur noch auf Bestellung gibt.

Der Service tobte !!!

Da wir inzwischen die gastronomische Demokratie verlassen haben, war es uns egal, denn als Diktatoren wussten wir das sich die Aufregung schnell legen würde!!
So war es auch. Nach einem tumultartigen ersten Tag hatten sich alle an die Neuerungen gewöhnt, die Gäste honorieren die neue Karte mit großem Lob, welches interessanterweise der Service gerne für sich einnimmt.

Folgendes habe ich gelernt:
Speisekarten sind Gebilde wie Weinetiketten. Sie müssen sich entwickeln und der Zeit angepasst werden. Dazu braucht man eine Basis, aus der heraus sich überhaupt etwas entwickeln lässt. Diese Basis haben wir jetzt geschaffen, bei den nächsten Anpassungen können Dinge wie z.B besondere Platzierungen von Gerichten berücksichtigt werden.
Dann werden auch die Ratschläge von Herrn Sommer größere Berücksichtigung finden. Selbstverständlich liegt für den Speisekartenblogger ein frisches Exemplar bereit, welches ich ihm gerne anlässlich Blog-trifft-Gastro 2006 überreichen werde.

Ein ebenfalls wichtiger Punkt ist die Frage, wer eigentlich in dem Lokal verkehrt. Die Traube hat einen sehr hohen Anteil an Stammkunden, hier müssen andere Kriterien der Speisekartengestaltung gelten, als für Lokale die von Laufkundschaft leben. Da kann durchaus ein Gericht auf der Karte erscheinen das wenig bestellt wird, aber der eine Gast, der ist es uns Wert das es auf der Karte bleibt!!

Weiterhin werde ich in absehbarer Zeit auch unsere Preisliste im Weingut überarbeiten, denn viele Ansätze die für Speisekarten gelten, kann man ohne weiteres auf Preislisten übertragen.

Mein Tipp an alle die eine Speisekarte schreiben müssen, wollen oder sollen:
Diktatur heißt das Zauberwort, Demokratie führt bei der Speisekarte zum Chaos!!

Links zum Thema
Winzerblog vom 12. Juli 2005: Neues Gewand
Weinrestaurant Traube

Das könnte Sie vielleicht auch interessieren?

Menü