Wild durcheinander gewirbelte Gedanken zum Thema Kieselgur, Schichtenfilter, Hefe und eine alte Kellermeisterweisheit

Im Weinkeller

Wild durcheinander gewirbelte Gedanken zum Thema Kieselgur, Schichtenfilter, Hefe und eine alte Kellermeisterweisheit

Die Zeiten ändern sich.

Dieser Beitrag scheint älter als 16 Jahre zu sein – eine lange Zeit im Internet. Der Inhalt ist vielleicht veraltet.

Derzeit liest man allerorten wie die Kellermeister und Winzer damit beschäftigt sind ihre Weine zu filtrieren, lauscht man in Großbetriebe hinein erfährt man das dieser Prozess teilweise sogar schon beendet ist.

Die Filtration: Kieselgur oder Schichtenfilter? Oder ganz was anderes?

Für mich keine Frage, wenn möglich lautet meine Option immer Schichtenfilter.

Ich ernte bei Kollegen immer wieder ungläubiges staunen, wenn ich erzähle das 90% unserer Weine nur mit einem einzigen Filtrationsgang zur Abfüllung vorgelegt werden. Dies ist eine logische Konsequenz die sich aus unserer Arbeitsweise und unserer betrieblichen Struktur ergibt.

Nachfolgend einige Gründe warum ich inzwischen auf die Kieselgurfiltration verzichte und stattdessen einen Schichtenfilter einsetze:

  1. Moste werden in der modernen Kellerwirtschaft schärfer vorgeklärt als vor 10 Jahren. Damit ist von vornherein weniger Trub im späteren Wein. Gleichzeitig stellt die Industrie Leistungsstarke Filterschichten zur Verfügung die weitaus mehr zu leisten im Stande sind als von 15 Jahren.
  2. Mit einem frühzeitigen 1. Abstich und der damit verbundenen Schwefelgabe erreichen wir einen relativ hohen Klärungsgrad der Weine. Vorausgesetzt das Erntematerial sah wirklich so aus wie alle Winzer immer erzählen das ihre Trauben zur Ernte aussehen. Optimal ausgereift, frisch und gesund.
  3. Eine Kalkulation der Kosten fällt grundsätzlich immer zugunsten von Kieselgur aus. Leider wird dabei übersehen das es mit dem Materialeinsatz alleine nicht getan ist. Reinigung, Rüstzeiten und Verluste durch Mischungen (nachdrücken mit Wasser) werden dabei meist nicht berücksichtigt. OK, oft wird statt Wasser Luft zum nachdrücken verwendet, aber gerade bei Rotweinen kann die unkontrollierte Dosis Sauerstoff nicht immer zum Vorteil gereichen. Den Luxus mit anderen Gasen nachzudrücken mag sich nicht jeder leisten.
  4. Bei Schichtenfiltration habe ich die Gewähr das mein Wein blank ist, so blank wie ich ihn haben möchte. Bei Kieselgur haben die jahrgangsbedingten Unterschiede größeren Einfluss auf die Filterleistung. Ich finde es nicht lustig, wenn am Ende der Filtration doch noch trüber Wein den Filter verläßt und damit die ganze Arbeit zunichte ist.
  5. Bei Kieselgurfiltration ist ständige Kontrolle unablässig. Ist noch Kieselgur im Dosierbehälter? Läuft der Wein noch blank? Wie sieht es aus mit dem Druck? Wieviel Kapazität ist noch vorhanden? Wohl dem der Tanks anhängen kann die 5000000 Liter Volumen haben, da kann man schön Mittagessen gehen oder sich angenehm mit dem Korkenvertereter unterhalten. Bei Kleinmengen kann man den Arbeitsplatz nicht verlassen. Für mich ein entscheidender Punkt, denn es kommt Kundschaft, das Telefon klingelt, oder sonst irgend etwas alltägliches passiert. Natürlich kann man den Kieselgurfilter auf Kreislauf stellen, das allerdings sollte nicht zu oft geschehen und nicht zu lange. Den Schichtenfilter stelle ich ab und kümmere mich um andere Sachen ohne Angst haben zu müssen es passiert etwas.
  6. Kieselgur ist eine Sauerei. Das Zeug dringt in jede Ritze, man läuft rum als sei man ein Bäcker.
  7. Die Entsorgung ist problematisch. Problematisch in dem Sinne das die verbrauchte Kieselgur nicht in den Gulli darf, sondern gesammelt und auf den Kompost muß. Beim Schichtenfilter sind die Schichten in wenigen Minuten entfernt und können leicht entsorgt werden. Wir trocknen diese, häckseln sie und kompostieren sie dann.
  8. Bei Kieselgurfiltration habe ich keine Gewähr über das Endergebnis. Natürlich haben wir alle Erfahrung und können die Klärschärfe einschätzen, aber das klappt halt nicht immer. Bei Schichtenfiltration weiß ich exakt welche Klärschärfe mein Wein erreicht hat.
  9. Ich kenne nur wenige Kollegen die in ihre Kieselgurfiltration so viel Vertrauen haben, das sie damit direkt auf Sterilfiltration gehen. Meist wird dann doch noch ein weiterer Filtrationsgang zwischengeschalten. Genau diesen erspare ich mir. Ich kann doch nicht Trauben durch die Weinberge tragen um den Wein später durch zusätzliche Filtrationen zu belasten?
  10. Ich nehme in Kauf das ich die positive geschmacksöffnende Wirkung der Kieselgurfiltration nicht in Anspruch nehmen kann. Ich glaube aber, das der Faktor Zeit dieses ohnehin wieder reguliert.
  11. Bedingt durch die hohe Leistung können mit Kieselgur große Mengen filtriert werden. Die Kieselgurfiltration zwingt mich damit alle Weine auf einen Schlag zu filtrieren. Das will ich nicht!! Im Gegensatz zu vielen anderen habe ich kein Problem damit, Weine bis zu einem Jahr auf der Feinhefe liegen zu lassen. Wenn möglich auch länger. Es ist das „besondere Etwas“ das wir unseren Weinen damit mitgeben. Inzwischen denken einige Winzer sogar das sei etwas Besonderes und machen sogar Pressemeldungen daraus wenn einer ihrer Weine 1 Jahr bei seiner Hefe sein durfte.
  12. Die Filtration mit einem Schichtenfilter erlaubt es mir kleinere Mengen zu filtrieren zu dem Zeitpunkt den ich wünsche. Gerne verweise ich in diesem Zusammenhang auch auf die höchst angenehme ruhige und auch schonende Arbeitsweise der Monopumpe, die im Gegensatz zur schrill kreischenden Kreiselpumpe der Kieselgurfilter einfacher zu handhaben ist. Vor allem das abziehen von der Feinhefe oder Trub ist mittels Monopumpe deutlich erleichtert.

Ich habe in meinem Leben viel mit Kieselgur filtriert. Nicht Tausende, sondern viele viele Millionen Liter. Ich habe Spass daran, ist die Kieselgurfiltration doch eine Kunst. Man braucht Gefühl und Erfahrung und natürlich Verständnis für die Maschine die man vor sich hat. Kieselgurfiltration ist eine der letzten Bastionen die ein Mensch ohne direkten Bezug zum Wein nie verstehen wird. Trotzdem, ich vermisse es nicht.

Ich schreibe dies an dieser Stelle nicht weil ich es verurteile, aber es kann auch nicht sein das wir einerseits immer vom schonendem Umgang mit Wein sprechen, auf der anderen Seite wird halt filtriert weil es alle machen.

Wir Kellermeister und Winzer schenken den Funktionären und Lehrern zu viel glauben. Deren Denkweise geht immer davon aus das die Hefe nur ein notwendiges Übel ist das man möglichst schnell aus dem Wein entfernen sollte, denn es könnte ja etwas passieren. Denken wir doch nur an die großen Betriebe die ihre Weine bereits vor Weihnachten durch den unsäglichen, zerstörerischen, alles gleichmachenden Cross-Flowfilter zwingen. Warum? Damit der Vorstand der Genossen ruhig schlafen kann?

Wie sagten die alten Kellermneister?

Die Hefe ist die Amme des Weines

So ist es, warum dem Baby so früh die Brust entsagen?

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