Weingeschichten

Die Polizei im Weingut

Die Zeiten ändern sich.

Dieser Beitrag scheint älter als 19 Jahre zu sein – eine lange Zeit im Internet. Der Inhalt ist vielleicht veraltet.

Im Polizeiauto kamen sie auf dem Weingut angefahren und haben sich nach demjenigen erkundigt, der für den Wein verantwortlich ist. Der war schnell gefunden, das bin natürlich ich. Die beiden Herren haben sich ausgewiesen, wie sich herausstellte, kamen sie vom WKD. Aus den Tiefen meines Körpers drangen Schweißperlen auf meine Stirn, ratlos und verwirrt bat ich die Herren herein und Platz zu nehmen. Selten zuvor habe ich den Drang nach einem Viertel Riesling so deutlich verspürt wie in diesem Moment. Was war passiert? Habe ich gegen Gesetze verstoßen, hat sich jemand beim Öffnen meiner Flaschen verletzt, oder ist jemandem der Genuss unserer Weine nicht bekommen? Unendlich viele Fragen die ich mir stelle, aber ich finde keine Antwort. Ich muss warten was mir die beiden Herren zu sagen haben. Es ist zwar erst 10 Uhr Morgens, trotzdem biete ich den beiden Männern ein Gläschen Wein an, was Sie dankend ablehnten. Nach einigem Geplänkel über den Wein, den Jahrgang und viele andere Dinge kommen sie endlich zur Sache. Einer der beiden erzählt mir, das er von der zuständigen Weinkontrolle, dem dortigen Innendienst, folgende Nachricht mit Bitte um Verfolgung (nennt man das so?) bekommen habe. Vor ca 8 Monaten wurde bei uns im Weingut eine routinemäßige Probe entnommen, zu dem Zwecke, um zu prüfen, ob die vergebene AP-Nummer auch wirklich mit dem damit gekennzeichneten Wein identisch ist. Dafür werden Stichproben bei Weinproduzenten oder Händlern eingezogen. Das geschieht routinemäßig, die Weinkontrolle war damals da, mit der Anweisung vom Labor einige Flaschen Wein egal welcher Herkunft und Sorte einzuziehen, um eben diese Stichprobe durchzuführen. Der Wein wurde untersucht, mit den Daten der QbA-Prüfung verglichen, es wurde festgestellt, der Wein ist identisch und rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden. Alles ok, die Anzahl meiner Schweißperlen nimmt deutlich ab, inzwischen weiß ich, es geht um irgendetwas das mit Verwaltung zu tun hat, allerdings ahne ich noch immer nicht, was die Herren exakt wollen. Nochmals biete ich ihnen ein Glas Wein an, trotz ihrer freundlichen dankenden Ablehnung, schenke ich mir ein Gläschen Riesling ein, aber nur um irgendetwas zu haben, woran ich mich festhalten kann. Einer der Beamten zieht nun ein Blatt Papier hervor, auf dem ich sofort erkenne, das darauf die Etiketten der damals entnommenen Probe kleben. Fassungslos starre ich das Papier an. Wie konnte es jemandem gelingen dieses Etikett, das laut Herstellerangabe unwiederbringlich, auf ewig mit der Flasche verbunden ist, abzulösen und komplett intakt auf Papier zu kleben? Wer immer das gemacht hat, muss unendlich viel Geduld und Mühen auf sich genommen haben, um das zu bewerkstelligen. Dieser Innendienstbeamte hat das geschafft, worum sich viele Flaschenspülanlagenbetreiber und Etikettensammler seit Jahren vergeblich bemühen. Selbstklebende Etiketten unversehrt von den Flaschen runterzubekommen. Die beiden Beamten nun, legten mir dieses Etikett vor und zitieren nun aus dem Brief, in dem in etwa sinngemäß stand, : „So ist eindeutig festzustellen, dass zum einen die Auflistung des Alkoholgehaltes, der AP-Nummer und der Mengenangabe in einer Linie, beim Verbraucher zu Verwirrung führen könnten“. Fassungslos starre ich die beiden Beamten an, denen es offensichtlich peinlich war, mir so etwas vorlegen zu müssen. Sie baten mich, ihnen einmal zu zeigen, wie wir normalerweise unser Rückenetikett gestalten. Wie immer, links der Alkohol in fetter Schrift, dann 4 Leerstellen, dann die AP-Nummer in normaler Schrift, dann wieder 4 Leerstellen, dann die Inhaltsangabe in Liter wieder mit fetter Schrift. Die beiden Beamten konnten nicht nachvollziehen, was der Innendienstmann hier meinte, denn unser ganzes geschriebenes Leben steht in der Regel in Sätzen geschrieben, die Wörter durch eine Leerstelle getrennt. Bei 4 Leerstellen ist der räumliche Abstand so eindeutig erkennbar, dass auch sie zugeben mussten das dieses Ansinnen Unfug wäre. Dennoch habe ich mich bereit erklärt dem Verlangen nachzugeben und die räumliche Trennung noch deutlicher zu gestalten, durch 5 statt wie bisher 4 Leerzeichen. Wieder biete ich den Beamten ein Gläschen Wein an, hat sich doch die ganze Situation deutlich entspannt. Nach einem kurzen Zögern stimmen sie zu, so sassen wir nun zu dritt am Tisch, jeder mit einem Gläschen Wein und harrten der Dinge, die der wohl ranghöhere Beamte noch vorzutragen hat. Es ist wieder die Angabe des Alkohols und der Füllmenge!!! Der eifrige Innendienstbeamte hat bei seinen umfassenden Recherchen festgestellt, dass die Angaben nur 3mm hoch waren, laut Weingesetz jedoch 4 mm hoch sein müssten. Ich saß in der Falle. Was sollte ich tun? Flüchten, um Gnade winseln oder einfach alles abstreiten? Wäre ein spontaner gut initiierter Wutausbruch hilfreich? Ich entscheide mich zu Besonnenheit und bleibe weiter freundlich. Vielleicht ist das Papier ja geschrumpft beim Langwierigen entfernen von der Flasche. Ich führe die beiden Beamten freiwillig zur Stätte des Verbrechens, in mein Büro zum Etikettendrucker. Dort demonstriere ich, wie die Größen eingestellt werden, bei Höhe 4 mm, und drucke für die WKD-Beamten ein Sonderetikett. Könnte vielleicht das Etikettendruckprogramm schuld daran sein, dass die Buchstaben und Zahlen nur 3 statt 4 mm groß sind? Wir sind ratlos, dennoch stelle ich fest, dass beim Verwenden verschiedener Schrifttypen durchaus verschiedene Höhen gedruckt werden. Vielleicht sollte das Weinrecht noch die Schriftart festlegen, denn da gibt es tatsächlich gravierende Unterschiede. Ich versichere den Beamten in Zukunft die Buchstaben und Zahlen 5 mm hoch zu drucken, dann bin ich auf der sicheren Seite und der Kunde wird nicht hinterlistig getäuscht. Die beiden Herren meinten ebenfalls, dass dies eine gute Lösung wäre. Die netten Beamten möchten nun feststellen, wie viel von diesem „falsch etikettierten“ Wein noch bei uns lagert, denn die Tatsache des Verstosses bleibt ja weiterhin bestehen. Oh, das ist eine schwere Frage, ich muss im Lager nachschauen ob ich da eventuell noch eine Flasche zu finden ist, denn der Wein ist seit vielen Monaten ausverkauft. Die beiden Beamten sind fassungslos. Ausverkauft? Wirklich? Ja, sag ich und gehe nochmals in das Büro, um dort die damals bei uns hinterlegte versiegelte Flasche zu holen. Dort können nun die Beamten nachlesen, das der amtlich festgestellte Flaschenbestand zum Zeitpunkt der Probenentnahme noch exakt 92 Flaschen betrug. Die einzige Flasche die sie konfiszieren können, halten sie gerade in der Hand. Jetzt wurden die beiden ungehalten, und schimpften auf den Büromann ob der sinnlosen Zeitverschwendung, die er hier verursachte. Für sie war die Sache vom Tisch, abgelegt unter der Kategorie Schwachsinn. Das Verfahren wurde eingestellt, oder nie eröffnet, ich weiß es nicht, mir ist es egal. Die beiden Beamten bedankten sich für die freundliche Kooperation, erkundigten sich noch, was das für ein Wein war, den ich ihnen eingeschenkt hatte, und versprachen das Weingut einmal privat zu besuchen. Das war ein versöhnlicher Abschluss, da hab ich doch tatsächlich völlig unverhofft noch zwei nette Kunden gewonnen und gewinne erneut die Einsicht, das die meisten unserer Beamten die mit Wein zu tun haben, nette, freundliche Leute sind, mit gesundem Menschenverstand.

Das könnte Sie vielleicht auch interessieren?

Menü