Ich habe heute früh Feierabend gemacht, denn wir waren zur Weinprobe eingeladen. Das ist immer wieder schön, einmal solche Events zu besuchen, ohne dabei selber den Maitre de plaisier zu spielen. Thema war eine Weinregion mit ausgeprägten Steillagen und Terrassenweinbau, oder besser gesagt ein Kollege, der sich bereit erklärte seine Region und sein Weingut bis ins Detail vorzustellen. Faszinierend, was sich da in den Gläsern widerspiegelte, gleichzeitig dramatisch, unter welchen Bedingungen die dort arbeiten müssen. Der zum Teil stolze Preis für die dortigen Weine ist unter diesen Umständen mehr als gerechtfertigt. (In diesem Fall handelte es sich um die Wachau). Aber leider ist es dort wie überall, immer mehr dieser feinen Lagen verwildern, die Genossenschaften schaffen es nicht ordentliche Preise zu bezahlen, der Schwarzmarkt boomt, und in der absoluten Spitze tummeln sich einige wenige, die einen täglichen Kraftakt vollziehen müssen, um ihr täglich Brot zu verdienen. Ich frag mich immer wieder, was wohl so ein Steillagenwinzer denken mag, wenn er durch Gebiete fährt, wo die Vollmechanisierung der Weinberge bereits stattgefunden hat. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gesehen muss er aufhören und in irgendeiner Fabrik arbeiten gehen, da hat er mehr verdient und kann sogar Urlaub machen. Dennoch tun Sie es nicht, Gott sei Dank, denn es gibt eben auch noch andere Werte außerhalb des Profits. Genau diese Schnittstelle ist es, die mich und viele andere immer wieder faszinieren, denn diese Menschen sprühen geradezu vor Weinidealismus. In jeder Tat und in jeder Bewegung, in jedem Wort leben sie ihre Ideale für die Landwirtschaft und besonders für den Wein. Diese Menschen können Geschichten erzählen, egal wie abenteuerlich, man wird sie ihnen immer glauben. Ich kann nur jedem Weinschreiber, Weinhändler, Sommelier und auch dem normalen Weinfreund entgegenrufen „kauft diese Weine, sie sind ihr Geld Wert“. Im Gegenzug sorgen diese Menschen dafür, dass eines der großartigsten Kulturgüter Europas erhalten bleibt, der Steillagenweinbau, egal ob Mosel, Wachau oder Mittelrhein. Irgendwann muss meine so geliebte Branche aufwachen und endlich begreifen, was da so langsam vor die Hunde geht. Es wird Zeit, denn ist es erst einmal verloren, ist es unwiederbringlich. Allerdings stellt sich hier nicht die Frage wer schuld an der Misere ist, sondern wer etwas zum Positiven verändern könnte. Mir fällt da spontan niemand ein. Pflanzrechte aus Steillagen sind so viel ich weiß vor dem Zugriff aus der Nichtsteillage geschützt. Dennoch ist es natürlich auch Fakt das generell innerhalb aller Weinbaugebiete die schwächeren Regionen mit schwierigen Strukturen, die Pflanzrechte für die stärkeren Gegenden liefern. Das könnte man ja mal ändern, dann würde zumindest das Ausbluten einiger Regionen aufhören und junge Winzer hätten dort wieder Chancen ihre Betriebe auf ein wirtschaftliches Niveau bringen zu können, denn der Kampf um die Fläche wäre beendet. Warum soll ein alter Bauer der aufgibt, seine Fläche billig weiterverpachten, wenn er von anderen gutes Geld für die Rechte bekommt??
Plädoyer für die Steillage
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