Von edlen Weingütern und Winzern die zum Lügen gezwungen werden

Weingeschichten

Von edlen Weingütern und Winzern die zum Lügen gezwungen werden

Die Zeiten ändern sich.

Dieser Beitrag scheint älter als 18 Jahre zu sein – eine lange Zeit im Internet. Der Inhalt ist vielleicht veraltet.

Immer öfter stehen sehr namhafte Weingüter zum Verkauf. Das Procedere zieht sich zum Teil über Jahre hin, meistens ist es der Fall, das einfach kein Betriebsnachfolger vorhanden ist. Ein Trend in unserem Lande, der aus der schönen glitzernden neuen Weinwelt kommt, ist der, das große Firmen und deren Inhaber die Möglichkeit entdecken sich nebenher ein tolles Weingut inklusive Winzer und Kellermeister zu halten. Natürlich nimmt man die damit verbundenen Abschreibungsmöglichkeiten gerne wahr, denn oft genug kann ja nichts Besseres passieren als zur gewinnträchtigen Hauptfirma noch eine kleines sehr Verlustreiches zweites Unternehmen zu besitzen, welches die Gewinne wieder schmälert. Was passiert im Weingut? Dort wird ohne Rücksicht auf Wirtschaftlichkeit Qualität geklotzt. Das ist fantastisch, kommen dadurch plötzlich neue Superstars in die Szene, was derselben letztlich nur gut tut. Trotzdem bleibt mir da ein kleiner fader Beigeschmack, denn wenn ich mir zum Teil die vermeintlichen Verwalter anschaue, die auch gerne mal als Besitzer auftreten (oft genug geben sie ja auch ihren Namen dafür her), kommen mir große Zweifel, ob die jemals ein Fass von innen gesehen haben. Hippe Frisur, eckige Brille jung und dynamisch und erfolgreich, gepflegte Hände und ein Armanianzug sind doch eher untypisch für Winzer. Für einen Kellermeister oder Winzermeister gibt es natürlich nichts Schöneres als nur unter dem Aspekt der Qualität arbeiten zu können. Auf diese Art und Weise hat sich in der letzten Zeit so manches Weingut an die Qualitätsspitze katapultiert. Schwierig wird es für die anderen eben dann, wenn der Kunde das Gleiche vom schnuckeligen kleinen Familienweingut erwartet. Dort kann das nicht geleistet werden, denn unter dem Strich müssen hier ein oder zwei Familien ernährt werden. Da muss neben allem Qualitätsstreben eben auch die Wirtschaftlichkeit gegeben sein. Den Betrieb, der alle seine Weine im Bereich über 20 Euro verkauft, den habe ich noch nicht gefunden. Behaupten tun dies freilich viele von sich, aber irgendwo an anderer Stelle muss man eben auch als Edelweingut die Hosen runterlassen, um gewisse Mengen absetzen zu können. Ganz getreu dem Motto vorne hui und hinten pfui!! Die nüchternen anonymisierten Zahlen zeigen eindeutig, dass die wirtschaftlich erfolgreichsten Betriebe diejenigen sind, die genau diesen Spagat zwischen Qualität und Wirtschaftlichkeit schaffen. Sehr gute Basisweine zu fairen Preisen sind unabdingbar und sind die Sparte, in der Geld verdient werden kann. Alle Betriebe die meinen, nur Superpremium verkaufen zu können sind letztlich dem Tode geweiht. Es gibt leider Gottes nur allzu viele Beispiele dafür, wo sich große Namen hoffnungslos überschätzt haben, ja, wo die Besitzer lieber den Freitod suchten als zugeben zu müssen, dass das Superpremiumkonzept gescheitert ist. (Dies hat nichts mit derzeit aktuellen Ereignissen zu tun!!) Es klingt immer verlockend, seine Erträge zu senken, dafür die Preise zu erhöhen, die Qualität steigt, aber der Kunde hält nicht Schritt dabei. Wo früher für einen guten Kabinett 3 Euro fällig waren sind es nun 12 Euro oder mehr. Die Folge ist unweigerlich die, dass sich die Kundenstruktur ändert. Kamen früher die Nordlichter vorbei und füllten den Kofferraum mit 240 Flaschen, sind es nun eben nur noch 24 Flaschen, die man zum Auto tragen darf. Fällt man nun noch beim einen oder anderen Weinschreiber in Ungnade, bleiben die Kunden weg, man muss seine Topqualitäten billiger in anderen Kanälen verkaufen. Das geht einmal, beim zweiten Mal gerät der ganze Laden bereits in Schieflage. So passiert, als ein Edelweingut einmal seine Überhänge für damals 1,- DM nach Russland verscherbelte, um seine Lager zu entlasten. Der gleiche Wein war weiterhin für 15.- DM im Fachhandel zu haben, bis irgendwann jemand (Konkurrenz?) auf die Idee kam, einen kleinen ReImport zu organisieren. Das hatte fatale Folgen, wie sich jeder ausmalen kann. Warum erzähle ich das alles? Ich halte es für wichtig, das man unterscheidet zwischen denjenigen die davon Leben was sie produzieren und denen die produzieren, aber nicht davon leben. Dieser Unterschied offenbart eine Dimension, mit der sich die Weinwirtschaft die nächsten Jahre früher oder später beschäftigen muss. Wer gibt zukünftig die Marschrichtung vor? Wer setzt die Messlatte, an der sich alle orientieren? Denken wir einmal an das Bordeaux. Welche Anstrengungen hinter den Kulissen unternommen werden müssen um die Preise hoch zu halten ist enorm. Bei Erträgen von 2-5 Tonnen je Hektar sind die französischen Kollegen auf Gedeih und Verderb auf Toppreise angewiesen. Allein zum Unterhalt der herrlichen Schlösschen ist Jahr für Jahr ein Vermögen fällig. Dennoch glaube ich persönlich, dass viele Kollegen z.B. aus Württemberg, am Jahresende mehr unter dem Strich übrig haben als die Franzosen. Klingt irre, ist aber so, rechnen wir einmal extrem ein Hektar. 4000 Flaschen x 40 Euro ist 160000 Euro für guten Bordeaux und 10000 Flaschen Trollinger x 8 Euro ist 80000 Euro, bei einfacher vinifizierung ohne Barriques, Ertragsreduzierung, Holzkisten, Edelkorken und vielem anderem Schnickschnack. Der Schwabe ist klarer Sieger, weil seine Kostenseite um ein Vielfaches günstiger ist. Zudem ist er frei seinen Wein an den zu verkaufen wie es ihm gefällt, er ist nicht von irgendwelchen mafiösen Syndikaten abhängig, die alles regeln. Allerdings hinkt der Vergleich, da ich nicht glaube, dass es viele Chateaus gibt, die von dem leben was sie produzieren, zumindest von den weltweit bekannten. Was ist die Botschaft? Qualität ist wichtig, aber nicht so wichtig ihr gnadenlos alles unterzuordnen. Ich plädiere dafür, das Wort Qualität durch Geschmack zu ersetzen. Produziert ein Weingut einen besonderen vielbeachteten Wein, wird er nicht gefragt, wie ihm das gelungen ist, sondern zunächst wird nach den Erträgen geforscht. Es wäre ja dramatisch in einem Weinführer mit vielen Sternchen, Mützen, Gläsern und was es noch alles gibt, zu schreiben, der Winzer hat davon 12000 Liter vom Hektar produziert. So manchem Weinschreiber würde der Füller streiken diese Zahl niederzuschreiben, darum lügt der Winzer und sagt immer eine Zahl zwischen 5 und 7 Tonnen. Ganz Freche gehen noch tiefer, es sei denn, sie leben nicht von dem, was sie produzieren. Also liebe Weinfreunde, vergesst das Geklappere um die Erträge, nicht die entscheiden, sondern der Geschmack im Glas, das ist die entscheidende Größe die zählt, und die einzige Wahrheit, die nachvollziehbar ist. Nichtsdestotrotz freue ich mich schon heute wieder auf den einen oder anderen Besuch von und bei meinen Kollegen vom Edelweingut. Denn eines ist gewiss, auch die freuen sich ab und zu den Anzug in die Ecke hängen zu dürfen, die Küferbluse anzuziehen und mit einem vom kleinen schnuckeligen Familienweingut die Weine bis in die späte Nacht zu probieren, ohne Diskussion um Erträge und Erlöse, alles was zählt, ist die Wahrheit im Glase, – der Wein.

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