Weingeschichten

Gedanken zum Thema Weinbewertung

Die Zeiten ändern sich.

Dieser Beitrag scheint älter als 18 Jahre zu sein – eine lange Zeit im Internet. Der Inhalt ist vielleicht veraltet.

Nach vielversprechenden Vorproben und Degustationen mit Sommeliers, Weinführerherausgebern und Kollegen haben wir unsere 2003er Barriqueweine beim Hamburger Weinsalon vorgestellt. Die Reaktionen dort waren einfach nur toll. Für den Spätburgunder gab es in Hamburg immerhin einen „Grand Prix“ und für unseren Schwarzriesling Barrique und unser Cuvée Gaudeamus (Schwarzriesling und Spätburgunder) jeweils ein „highly recommended“. Am schönsten jedoch die Reaktionen vieler Messebesucher, die waren in der Regel überrascht und die Meistgestellte Frage war: „Sie wurden noch nie für ihre Rotweine ausgezeichnet?“ oder „wie kommt es, das sie mit solchen Weinen in keinem Weinführer gelistet sind?“
Sogar der an diesem Wochendende sehr gestresste Mario Scheuermann hat uns noch einmal ausdrücklich für den Spätburgunder gelobt. Ihn beeindruckte vor allem, das der mächtige Alkohol von 15 % Volumen wunderbar in den Wein eingebunden ist. Natürlicher Alkohol wohlgemerkt!!
Und dann, ja dann kam das Ergebniss von Wein-Plus, ein Ergebniss, das ich in keinster Weise nachvollziehen kann und das habe ich an den dortigen Stellen auch zum Ausdruck gebracht.

Dennoch habe ich mir viele Gedanken gemacht, woher diese enormen Diskrepanzen bei Weinberwertungen herkommen. Ich unterstelle jedem das er das Beste im Wein sucht und will. Das ein Weinführer einen von mir persönlich als überdurchnittlich angesehen Wein abwertet, muß ich akzeptieren, verstehen muß ich es nicht, würde es aber gerne. Darum hier einge Gedanken zum Thema Weinbewertung. Aber Bitte, es sind nur Gedankenspiele, nicht mehr….

Wie kann es sein, das ein Wein der in Baden zur Prämierung zugelassen ist, in Hamburg einen Grand Prix gewinnt, wohl auch Einzug im wichtigsten Print-Weinführer finden wird, bei einem anderer Führer nur 71 Punkte bekommt? Also gerade einmal trinkbar aber auch nicht mehr?
Ich weiß es, Weinprobieren hat doch etwas mit Geschmack und Vorlieben zu tun. Es gibt halt nur ganz wenige die diese persönlichen Vorlieben beim Weinverkosten komplett ausschalten können. Ich kann es nicht, darum bin ich auch kein Weinführer geworden sondern was anderes. Ich bin durchaus in der Lage zu akzeptieren, das jemandem diese Weine nicht schmecken, bei einer Bewertung sollte dies allerdings keine Rolle spielen.

Hier liegt eine entscheidende Schnittstelle zwischen einem der über Wein schreibt und einem der Wein bewertet. Derjenige der über Wein schreibt besucht Weingüter, die Regionen und bildet sich eine Meinung. Die kann er frei formulieren, weil er nicht den Anspruch erhebt zu Führen, sondern er will Informieren. Der Führer hingegen sitzt vor dem Glas Wein und soll bewerten nach Kriterien die reduziert sind auf das, was sich im Glas vor ihm befindet. Womöglich weiß er nicht einmal was er probiert und woher es kommt.

Die alles entscheidende Frage wird HIER gestellt zu Recht.
Alle Welt redet von Terroir, aber wie bitte soll das einer bewerten wenn er es nicht kennt?

Soll man einen Wein schlechter bewerten weil er etwa 15 % Volumen hat, obwohl es unter den Umständen des Jahrganges gar nicht anders möglich war? Warum wird eine 2000er Kollektion eines Winzers als schlecht beschrieben obwohl alle wissen, welche Probleme der Jahrgang mit sich brachte? Kann es sein, das das Pech höherer Niederschläge in einem Bereich dazu führt, einen Winzer für seine ganze Kollektion zu kritisieren?

Wenn das alles keine Rolle spielt, dann bitteschön, werden alle Winzer und Kellermeister in Zukunft Kugelrunde Weine produzieren, die den Gaumen streicheln, Ecken und Kanten darf er auch nicht haben, und bitte, das Wort Charakter sollte tunlichst in Zusammenhang mit Wein nicht mehr erwähnt werden. Die Großkellerei läßt grüßen!! Egal ob USA oder Deutschland.

Da wir keine Limonade produzieren, müssen Zwangsläufig Dinge wie Jahrgang, örtliche Begebeneheiten, Betriebsphilosphie eine Rolle spielen. Haben wir nicht alle schon einmal dieses herrliche Phänomen erlebt, in Italien unter einer Pergola zu sitzen, im Glas den besten Wein der Welt? Zuhause angekommen, entpuppt sich dann dieser als recht einfältig und dünn?

Des Rätsels Lösung: Es geht um Gefühle

Warum sonst, wird in der ganzen Genusswelt, der Gastronomie Beispielsweise, der komplette Eindruck bewertet? Von der Speisekarte, über die Tischdeko, der Service und natürlich das Essen. Alles findet sich in der Bewertung wieder. Die ganze Gefühlswelt wird erfasst und berücksichtigt. Zugegeben, auch das ist offensichtlich nicht ganz einfach. Fakt ist, ein Koch der Sterne will, muß ein Komplettpaket abliefern!

Wäre es für den Kunden nicht wichtig zu wissen, das er einen Top-Service bekommt, immer freundlich bedient und informiert wird? Warum zählt das alles nichts? Was ist mit den Lagen? Ist der Kellermeister Traditionell arbeitend oder eher der Moderne zugewandt? Betriebsphilosphie eine leere Worthülse?
Ich glaube der Weinführer der nächsten Generation wird diese Dinge wieder stärker berücksichtigen, denn was hilft es, das irgendjemand einem Wein 99 Punkte vergibt, der Winzer aber ein unausstehlicher, unfreundlicher Zeitgenosse ist, der seine Kunden lediglich abzockt und die Weine einem Regelrechten Design unterwirft um diese Punkte zu erhalten? Vielleicht sogar Flaschenweise?

Winzergleichniss:
Ich nehme eine Flasche Wein, schlage den Flaschenhals an der Bordsteinkante ab und schenke den Wein in ein Glas ein. Danach greife ich mit meinen Fingern in das Glas, ziehe ein paar Splitter heraus und serviere es nun dem Gast.

Dem nächsten Kunden serviere ich den gleichen Wein, stielvoll, mit Kerze, Dekanter und dem ganzen Zeremoniell drumrum.

Der Wein soll nun beide Male gleich gut schmecken?

Glaubt das wirklich jemand?

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